Sentence ID IBcChBqM6ikJt0P3qsYK4FMWKP4
Was einen Menschen (wörtl.: Mann) angeht: 22 Gefäße in ihm (führen) zu seinem ḥꜣ.tj-Herzen.
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jm=f: Wie in Eb 854+855 wird meist jm=f als adverbiales Prädikat des Satzes interpretiert, so dass die anschließende Adverbiale am wahrscheinlichsten als adverbiale Erweiterung des Subjekts (und nicht des Satzes) zu verstehen wäre. Zum Vorrücken eines kurzen adverbialen Prädikates in den Subjektsausdruck vgl. GEG § 121. Doch konkret für Eb 854+855 sowie Eb 856 ist eine solche grammatische Analyse nicht sicher. Es gibt bei der Beschreibung der Gefäße folgende Satzmuster:
(1) jw mt.w x [Stativ] n [Körperteil]: Eb 854d, 854g (?), Eb 854h (?), 854o (?).
(2) jw sḏm=ø n [Körperteil]: Eb 856h (3x).
(3) jw mt.w x n [Körperteil]: Eb 854f, 854i, 854k, 854l, 854m, 854n.
(4) jw mt.w x jm=f m [Körperteil?] n [Körperteil]: Eb 856c.
(5) jw mt.w x jm=f n [Körperteil]: Eb 854a, 856b, 856d, 856f, 856g (7x).
(6) jw mt.w x m [Körperteil]: Eb 854b, 854c.
[Grammatische Vorbemerkungen: Laut MedWb 1, 27-28 sind die Verben von Eb 854d, g, und h, hier Muster (1), Partizipien einer Konstruktion #(verbales) jw + Nomen + partizipiales Attribut zum Nomen#; und die Verben von Eb 865h, hier Muster (2), unpersönliche sḏm=ø-Formen, wobei MedWb 1, 27, Anm. 12 anmerkt, dass „in einigen Fällen“ der dort unter jw sḏm=ø abgelegten Stellen eigentlich jw+Stativ vorliegen könnte. Der Text Eb 856o ist (versehentlich?) unter beiden Kategorien angeführt. Dazu ist Folgendes anzumerken: [A] Die Konstruktion von Muster (1) als Paradigma #jw + Nomen + partizipiales Attribut zum Nomen# zu erklären ist nur möglich, weil Westendorf, älteren Grammatiken folgend, in jw ein Verb sieht, ergo: in diesem Fall Verbalsätze hat. Nach jüngeren Grammatiken ist jw dagegen eine Partikel, so dass eher Adverbialsätze mit adverbialen Verbalformen vorliegen (jw + nominales Subjekt + adverbiales Prädikat); oder aber diese Konstruktion ist als #jw mt.w x sḏm=ø n [Körperteil]# aufzulösen, wäre also quasi die Vollform, deren abgekürzte Variante in Muster (2) vorläge. [B] Eine grammatische Analyse von Muster (2) als Verbalsätze mit ausgefallenem Subjekt ist möglich. Sie ist dadurch gesichert, dass in Bln dmḏ=sn statt des unmarkierten dmḏ=ø von Eb 866h steht. Auch das erste Verb von Eb 856h, jwi̯ dürfte eher ein sḏm=ø als ein Stativ sein, da eher eine generalisierende Aussage („Sie alle kommen zum Herzen“) als eine stativische („Sie alle sind zum Herzen gekommen“) vorliegt. Eb 854o (jw mt.w 4 wbꜣ n pḥ.wyt) ist dagegen ambivalent: Im übernächsten Satz wird die Sachlage umgekehrt und dazu ein Verbalsatz verwendet: jw pḥ.wyt wbꜣ=s n mt nb (...). Analog dazu könnte auch das erste wbꜣ ein Verb der Suffixkonjugation, genauer: ein endungsloses sḏm=ø, sein. Ähnliches gilt für das psš von Eb 854d: Da in Eb 856h zwei der drei von jw abhängigen Verben jw-sḏm=ø-Formen sind, dürfte das auch für das dritte, psš, gelten. Damit könnte man analog auch das psš von Eb 854d als sḏm=ø-Form interpretieren. [C] Der Interpretation von Eb 854o und 854d als jw NN sḏm=ø steht allerdings entgegen, dass dieses Paradigma im Gegensatz zu jw sḏm=ø im pEbers nicht belegt zu sein scheint, so dass diese Sätze, also auch Eb 854d und 854o, als Adverbialsätze des Paradigmas jw NN sḏm(.w) interpretiert werden müssten. Dies gilt dann wohl auch für Eb 854g und h, wo das Verb sšmi̯ verwendet wird. Wb 4, 287, 12 führt diese Belege unter der „nicht häufig[en]“ intransitiven Verwendung von sšmi̯ auf. Man fragt sich, ob die scheinbar intransitive Bedeutung dieser beiden Belege vielleicht nur durch die stativische Verwendung zustande kommt: „Zwei Gefäße sind zu (...) geführt“ > „Zwei Gefäße führen zu (...)“. NB: Die Frage, ob das Verb des Paradigmas (1) ein sḏm=ø oder ein Stativ ist, beeinträchtigt die folgende Diskussion nicht.]
Die Frage nach dem Prädikat dieser Paradigmen ist am einfachsten zu entscheiden für die Satzmuster (1), (2), (3) und (6): Bei Muster (1) ist der Stativ das Prädikat, bei (2) das unpersönliche sḏm, und bei (6) die Adverbiale, denn es gibt in Eb 854b nur diese eine und in 854c nur diese eine im Hauptsatz. Nr. (3) dürfte nur eine Verkürzung von Nr. (1) darstellen, wie v.a. dadurch deutlich wird, dass sie von Sätzen des Musters (1) eingerahmt sind und tlw. nur diese eine Adverbiale enthält. Einzig Die Sätze des Musters (5) sind ambivalent; aber hier wird – gegen die Communis opinio – das Prädikat eher in der hinteren Adverbiale n+Körperteil als im jm=f zu suchen sein. Denn in der Traditionellen Grammatik trifft das Prädikat eine Aussage über das Subjekt und ist damit in der Regel eine Neuinformation. Diese Position wird im Satzmuster (5) nicht durch jm=f allein vertreten; denn im Gegenteil würde in einem solchen Fall in 9 der 10 Belege der Satzkern mt.w 2 jm=f: „Zwei Gefäße sind darin“ vorliegen, in dem weder das Subjekt noch das Prädikat neue Informationen liefern würde. Daher liegt es näher, vielmehr in n+Körperteil das Prädikat zu sehen und in jm=f eine adverbiale Erweiterung zum Subjekt.
Diese Annahme kann partiell durch die Analyse der Rubra unterstützt werden: Im Satzmuster (1) ist in drei von sechs Fällen nur das Subjekt rubriziert, die anderen drei können nicht herangezogen werden, denn in einem ist der gesamte Satz, in zweien gar nichts rubriziert. In den beiden Fällen des Satzmusters (6) ist ebenfalls nur das Subjekt rubriziert. Zu einem geringen Grad kann man auch das Satzmuster (3) heranziehen: Fast alle Belege sind durchgängig rubriziert, in zweien ist merkwürdigerweise die Zahl der Gefäße als einziges schwarz (in einem der beiden Fälle ist die Zahl ein Nachtrag). Von den Fällen mit nicht durchgängier Rubrizierung ist Eb 854k insofern interessant, als das Subjekt jw mt 2 rot ist, danach erfolgt ein Zeilenwechsel; dann ist die Präposition n, also der Beginn des Prädikats, noch rot, das Substantiv aber schwarz geschrieben. Also auch hier erfolgt der Wechsel von rot auf schwarz mehr oder weniger zwischen Subjekt und Prädikat (wobei das Substantiv ḫpd.w auch nur deswegen schwarz geschrieben sein könnte, weil darauf eine Zahl folgt und diese erneut rubriziert ist). Insgesamt betrachtet ist das Ergebnis zwar nicht eindeutig und sicher, aber es gibt doch in den Satzmustern (1), (3) und (6) die Tendenz, die Einleitung (ergo: das Subjekt) rot und die dazugehörige Neuinformation (ergo: das Prädikat) schwarz zu schreiben. Das wird im Satzmuster (5) bestätigt: Dort ist in 7 von 11 Fällen jw mw.t 2 jm=f rot und die anschließende Adverbiale, die Neuinformation (ergo: das Prädikat?) schwarz geschrieben (die anderen vier Fälle scheiden wieder aus: zweimal ist der gesamte Satz schwarz, zweimal der gesamte Satz rot geschrieben). Alles in allem spricht also einiges dafür, nicht in jm=f, sondern in der darauffolgenden Adverbiale n+Körperteil das Prädikat des Satzes zu sehen. Die Folgen dieser Verschiebung sind für die Übersetzung nur minimal, aber sie sollten deswegen nicht vernachlässigt werden: Denn dadurch liegt der Fokus der Aussage nicht mehr darauf, wie viele Gefäße in einem menschlichen Körper vorhanden sind, sondern darauf, wohin diese Gefäße führen. Anders gesagt liegt also in Eb 856 nicht zwangsläufig der Versuch einer anatomischen Beschreibung aller Gefäße eines menschlichen Körpers vor, sondern nur eine Beschreibung, wie viele Gefäße konkret zu den genannten Körperregionen führen; es ließe die Möglichkeit offen, dass es noch mehr Gefäße gibt, die nur nicht genannt sind. Interessanterweise ist in Eb 854a und 856b, also den beiden Fällen von Muster (5), die komplett schwarz sind, weder jm=f noch n+Körperteil die neue Information, sondern in Eb 854a die Information mt.w jm=f insgesamt oder mt.w jm=f n ꜥ.t nb.t insgesamt, und in Eb 854b die Information, dass es eben mt.w 22 (und nicht etwa eine andere Anzahl von mt.w) sind. Zu diskutieren wäre noch die Prädikatsstelle des Satzmusters (4): Im einzigen Beleg Eb 856c steht jw mt 2 jm=f m šṯ n mnd=f: Grundriß der Medizin und Westendorf, Handbuch der Medizin fassen m identifizierend auf, was erneut dafür spricht, das Prädikat in m šṯ und nicht in jm=f zu suchen; und im Vergleich zum Satzmuster (5) liegt dies tatsächlich näher, auch wenn Ebbell, Lefebvre und Bardinet eher jm=f als Prädikat verstehen. Erneut würde das Rubrum eine solche Deutung unterstützen: Rubriziert ist, wie bei Muster (5), jw mt 2 jm=f, und danach wechselt der Schreiber wieder zu schwarz. [NB: In Eb 856c wäre theoretisch noch zu klären, ob n mnd=f Präpositionalphrase „zu seiner Brust“ ist (so Ebbell, Papyrus Ebers, 119, Lefebvre, Essai sur la médecine égyptienne, 37, Bardinet, Papyrus médicaux, 363) oder Nomen rectum eines Genitivs „seiner Brust“ ist (so Grundriß der Medizin IV/1, 8, Westendorf, Handbuch Medizin, 698), d.h. ob ein Satz mit zwei oder drei adverbialen Ausdrücken vorliegt. Jedoch hat niemand n mnd=f als Prädikat aufgefasst, so dass diese Frage für die Suche nach dem Prädikat des Satzes nur eine untergordnete Rolle spielt.] -
Korrektur der Zahl nach Bln 163b und der Summe der im Folgenden einzeln aufgezählten Gefäße (inklusive Eb 865e, wo das einleitende jw mt 2 wohl nur ausgefallen ist), vgl. Westendorf, Handbuch Medizin, 698 mit Anm. 252. Auch die emendierte Zahl weicht jedoch von der Anzahl der in Eb 854+855 aufgezählten Gefäße ab, was zeigen könnte, dass weder dort noch hier eine vollständige Auflistung aller Gefäße eines menschlichen Körpers intendiert war, was viele Übersetzungen dadurch suggerieren, dass sie diesen und vergleichbare jw-Sätze wie Existenzssätze („es gibt x Gefäße, wobei sie die Eigenschaften a,b,c usw. haben“) oder jn-Konstruktionen („X Gefäße sind es, die die Eigenschaft a,b,c usw. haben“) übersetzen.
Persistent ID:
IBcChBqM6ikJt0P3qsYK4FMWKP4
Persistent URL:
https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/sentence/IBcChBqM6ikJt0P3qsYK4FMWKP4
Please cite as:
(Full citation)Lutz Popko, with contributions by Florence Langermann, Altägyptisches Wörterbuch, Daniel A. Werning, Sentence ID IBcChBqM6ikJt0P3qsYK4FMWKP4 <https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/sentence/IBcChBqM6ikJt0P3qsYK4FMWKP4>, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae, Corpus issue 18, Web app version 2.1.5, 7/26/2023, ed. by Tonio Sebastian Richter & Daniel A. Werning on behalf of the Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften and Hans-Werner Fischer-Elfert & Peter Dils on behalf of the Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig (accessed: xx.xx.20xx)(Short citation)
https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/sentence/IBcChBqM6ikJt0P3qsYK4FMWKP4, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae (accessed: xx.xx.20xx)
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