Satz ID IBYCcfv7VTb6gUaMkpAu2l2G3EA
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sꜣ: Was mit dem „Rücken“ des Auges gemeint sein könnte, ist unklar. Grapow, Anatomie, 33 vermutet darin „das obere Lid des geschlossenen Auges“. So dann auch MedWb 2, 705. Bardinet, Papyrus médicaux, passim folgt diesem Vorschlag und übersetzt „paupières“. Westendorf, Handbuch Medizin, ist vorsichtiger und belässt es bei der „Außenseite“ des Auges. Iversen, in: JEA 42, 1956, 56-57 versteht in der Hieroglyphe Gardiner Sign-list Aa18, mit der das Wort sꜣ geschrieben ist, einen Deckel und vermutet daher in den sꜣ n jr.tj des pEbers die „Deckel der Augen“, ergo: die Augenlider. Die Interpretation des Zeichens Aa18 als Deckel beruht u.a. auf Darstellungen eines ebenso aussehenden Gegenstandes am oberen Ende von Köchern in Darstellungen Rames’ III. in Medinet Habu, woraus schon Brugsch geschlossen habe, dass das der Deckel des Köchers sei (s. Iversen mit weiterer Literatur zur Diskussion dieser These). Ein weiteres Argument ist die Darstellung eines Gegenstandes, der wie Gardiner Aa17 aussähe, der älteren Form von Aa18, als Klassifikator eines Wortes sjꜣ auf einem Relief des Alten Reiches in Karlsruhe. Hierfür verweist er auf eine Diskussion der Szene bei Jéquier (Jéquier, in: BIFAO 7, 1910, 95), der dieses sjꜣ als Schreibung des Wortes sꜣi̯: „sättigen, satt sein“ auffasst, es aber konkret in diesem Falle als „boucher, couvrir“, d.h. als „verschließen“, verstanden wissen will, weil es einer Person beigeschrieben ist, die einen Behälter / einen Korb mit einem Deckel verschließt. Aufgrund dessen identifiziert er die Hieroglyphe Aa17 als Deckel des Korbes. Dem schließt sich Iversen an und vermutet in dem Wort sꜣ eine allgemeine Bezeichnung für „Deckel“, egal ob für einen Korb oder einen Köcher. Goedicke, in: JEA 45, 1959, 99-100 weist jedoch nach, dass Jéquiers Interpretation hinfällig ist und in dem fraglichen Relief eigentlich ein Mann mit einem Sieb mit Griffen dargestellt sei. Das fragliche Wort sjꜣ wäre nicht sꜣi̯: „sättigen; satt sein“, sondern sjꜣ(r): „(durch)sieben“. Er verweist auf zwei (noch unpublizierte) Darstellungen von Bogenschützen aus dem Alten Reich, bei denen der leere Köcher an die Form Aa17 erinnerten; aus der Praxis, diesen auf dem Rücken zu tragen, leitet er ferner die Bedeutung „Rücken“ für das mit Aa17 geschriebene sꜣ ab. In dem im Neuen Reich verwendeten Zeichen Aa18 vermutet er, wie Iversen, den Deckel des Köchers. Goedickes Argumente blieben zu prüfen; auf dem Relief Metropolitan Museum of Arts, Inv.-Nr. 22.1.23, auf das er verweist (s. https://www.metmuseum.org/art/collection/search/543895, letzter Zugriff: 02.10.2019), kann man kaum von einer „striking similarity to the hieroglyph [Aa17]“ sprechen. Obwohl Goedicke insgesamt Iversens Deutung von Aa18 als Deckel nicht widerspricht, macht seine neue Deutung von Aa17 als Köcher Iversens Vorschlag, in sꜣ eine Bezeichnung für den „Deckel“ zu sehen und in sꜣ n jr.tj die „Deckel der Augen“, zweifelhaft. Hussein, in: DE 30, 1994, 49-52 will in der sꜣ-Hieroglyphe ein ägyptisches Holzschloss und in seiner hieratischen Entsprechung den dazu gehörigen Schlüssel erkennen. Es bliebe allerdings zu prüfen, ob der von ihm gemeinte Schlosstyp überhaupt schon für eine derart frühe Zeit belegt ist, wie es das sꜣ-Zeichen erfordert (zu ähnlichen Schlössern aus römischer und späterer Zeit s. Flinders Petrie, Tools and Weapons, 59 und Taf. 75, Nr. W132 = UC63793 und Zych, in: PAM 11 (Reports 1999), 2000, 146-147).
Eine aktuelle kurze Besprechung des Terminus sꜣ n jr.tj findet sich bei Gräßler, Konzepte des Auges, 109; sie schließt sich sich weitgehend der Bedeutung „Lid“ an (vgl. auch S. 168, Tab. 2), verweist aber auch darauf, dass die Mittel, die auf dem sꜣ aufgetragen werden sollen, in den meisten Fällen Schminkmittel mit dem Bestandteil msdm.t, Bleiglanz, sind, „die um das Auge herum angebracht wurden“.
Die generelle Vorsicht der Bearbeiter bei der Gleichsetzung dieses „Rückens der Augen“ mit dem Augenlid ist nicht ganz unberechtigt, denn in anderen Textgattungen scheint es andere Bezeichnungen für die Augenlider zu geben: Grapow, Anatomie, 33, Anm. 8 verweist etwa auf Totenbuchspruch 172. Darin findet sich eine Aufzählung verschiedener Körperteile: auf das Auge selbst (jr.t) folgen dort die gꜣb.tj (im Dual, also zweimal vorhanden) und deren sṯr.wt (im Plural), die aus Lapislazuli seien, dann die mnḏ.t („Augäpfel“?) und die ẖs.w, die „mit Augenschminke gefüllt“ seien und damit sehr wahrscheinlich ebenfalls eine Augenpartie bezeichnen. In den gꜣb.tj vermutet Grapow (auch schon Wb 5, 154.11) die Wimpern, weil sie mit den Haaren klassifiziert sind, und weil „deren sṯr.wt“, also ein Teil davon, aus Lapislazuli sind, der traditionellen Farbe vom Haar der Götter. DrogWb, 469 gibt für die sṯr.wt, die im Londoner medizinischen Papyrus einmal im unklaren Zusammenhang genannt werden, dementsprechend die Übersetzung „Wimperhaare“, plädiert also implizit dafür, dass die Ägypter zwischen den Wimpern in ihrer Gesamtheit und dem einzelnen Wimpernhaar terminologisch unterschieden hätten. (Was zunächst erst einmal nachzuweisen wäre, weil es zwar viele ägyptische Wörter für Haare, Locken, Haarflechten u.ä., aber kein davon zu trennendes, separates Wort für das einzelne Haar gibt, pEbers verwendet in den Augenrezepten das allgemeine Wort šnj: „Haar“, wenn von einem Haar, das ins Auge wächst, also sicher einer einzelnen Wimper, die Rede ist.) DrogWb verweist ferner auf Naville, in: ZÄS 11, 1873, 82, der sich ebenfalls auf Tb 172 bezieht: Naville geht davon aus, dass die darin erwähnten gꜣb.tj die Augenbrauen oder vielmehr die oberen Augenlider bezeichne, und sṯr.t dann die Wimpern. Seine Interpretation von gꜣb.tj als Augenlider muss allerdings angezweifelt werden, denn es wäre erklärungsbedürftig, warum das Wort dann mit Haaren klassifiziert würde, wenn doch der einzige haarige Bestandteil, nämlich die daran befestigten Wimpern, eine eigene Bezeichnung, eben sṯr.wt, hätten. Diese sṯr.wt sind dann auch noch mit dem Fleischstück klassifiziert, was wiederum gar nicht zu der Wimper passt, sondern eben eher zu einem fleischigen Körperteil. Meeks, in: BIFAO 77, 1977, 79-83 vermutet dann auch, umgekehrt zu Naville, in gꜣb.tj die Wimpern (also wie Wb und Grundriß der Medizin) und in sṯr.wt die oberen Augenlider. Letzteres hält er für eine Ableitung von einer Wurzel ṯr: „(re)courvir, faire couvercle“, die er auch in dem Verb sṯr: „(eine Mumie mit Binden) umhüllen“ (Wb 4, 344.7) oder der ṯr.t-Weide wiedererkennen möchte. Die Nennung von sṯr.t im Zusammenhang mit der ṯb.t-Fußsohle im Londoner medizinischen Papyrus erklärt er für merkwürdig, enthält sich aber aufgrund des zerstörten Kontextes einer Interpretation. Da das Wort aber somit in einem religiösen wie auch einem medizinischen Text („de nature magique il est vrai“, 83) vorkommt, sieht er hierin „[un] terme courant et non d’un vocable poétique“ (S. 83). In den ebenfalls in Tb 172 genannten ẖs.w, die mit Augenschminke gefüllt seien, vermutet er ferner die Unterlider (S. 81) und weist auf die daraus folgende Beobachtung hin, dass die Ägypter terminologisch zwar im Ober- und Unterlid distinktive Körperteile sahen, dass sie aber zwischen den Wimpern des Ober- und des Unterlides nicht unterschieden hätten. Ganz zweifelsfrei bleibt Meeks’ Interpretation aber nicht, denn die Klassifizierung der beiden Wörter (Haare für gꜣb.tj und Fleisch für sṯr.t) passt zwar besser als bei den Identifizierungen von Naville und dem Grundriß der Medizin, aber warum sind dann die Oberlider in Tb 172 mit Lapislazuli in Verbindung gebracht, das eher zu den Haaren passt? Mit der ergänzenden Übersetzung „leurs (= les yeux) paupières supérieures sont (maquillées) en lapis-lazuli véritable“ übergeht er jedenfalls diese Problematik. Wenn es aber, von dieser Unsicherheit abgesehen, eine Bezeichnung für die Augenlider gab – sei es gꜣb.tj, sei es sṯr.wt –, fragt sich, warum im pEbers und in wenigen Belegen des pRamesseum III hierfür das Lemma sꜣ verwendet wird. Sollte vielleicht doch eine andere Stelle im Umfeld des Auges gemeint sein? Oder ist sꜣ ein echtes Fachwort der medizinischen Texte?
Persistente ID:
IBYCcfv7VTb6gUaMkpAu2l2G3EA
Persistente URL:
https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/sentence/IBYCcfv7VTb6gUaMkpAu2l2G3EA
Bitte zitieren als:
(Vollzitation)Lutz Popko, unter Mitarbeit von Peter Dils, Altägyptisches Wörterbuch, Daniel A. Werning, Satz ID IBYCcfv7VTb6gUaMkpAu2l2G3EA <https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/sentence/IBYCcfv7VTb6gUaMkpAu2l2G3EA>, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae, Korpus-Ausgabe 19, Web-App-Version 2.2.0, 5.11.2024, hrsg. von Tonio Sebastian Richter & Daniel A. Werning im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und Hans-Werner Fischer-Elfert & Peter Dils im Auftrag der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig (Zugriff am: xx.xx.20xx)(Kurzzitation)
https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/sentence/IBYCcfv7VTb6gUaMkpAu2l2G3EA, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae (Zugriff am: xx.xx.20xx)
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