ꜥnꜥr.t(Lemma-ID 38330)

Verifiziert

Hieroglyphische Schreibung: 𓂝𓈖𓂝𓂋𓏏𓆙


Persistente ID: 38330
Persistente URL: https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/lemma/38330


Lemma-Liste: Hieroglyphisch/Hieratisch

Wortklasse: Substantiv


Übersetzung

de [Wurm (im Wasser lebend)]
en [a worm that lives in water (med.)]

Bezeugung im TLA-Textkorpus


Belegzeitraum im TLA-Textkorpus: von 1818 v.Chr. bis 1494 v.Chr.


Bibliographie

  • Wb 1, 191.15-17
  • DrogWb 96 f.


Digitale Verweise

Alt-TLA 38330
Digitalisiertes Zettelarchiv 38330
Vocabulaire de l’Égyptien Ancien 3294

Kommentare

ꜥnꜥr.t: Ein noch nicht vollständig identifiziertes Tier. Üblicherweise wird es mit einer Schlange klassifiziert. Aufgrund dessen wird ihm eine schlangen- oder wurmartige Bedeutung zugeschrieben. In pRamesseum C (zur Lesung des Hieratischen s. Meyrat, Papyrus magiques du Ramesseum, 33) wird das Wort merkwürdigerweise mit einer Buchrolle klassifiziert – vielleicht wegen des Wortendes, das den Schreiber an die ꜥr.t: „Buchrolle“ erinnert haben mag.
Die einzige weitergehende Information zu dem Tier findet sich im pEdwin Smith, wo in Glosse C (Zeile 6,3) zu Fall 12 gesagt wird, dass es im Wasser lebe. Außerdem wird das Wort im pEdwin Smith metaphorisch auch für eine Erscheinung geronnenen Blutes in der Nase verwendet. Aufgrund dieser Eigenschaften vermutet Breasted, pEdwin Smith, Vol. 1, 251 einen „slender and slimy worm“. Allen, Art of Medicine, 83 und Sanchez/Meltzer, Edwin Smith Papyrus, 116 denken dagegen an den schlangenförmigen Aal.
Einmal wird das ꜥnꜥr.t-Tier im pEbers in einer Drogenliste genannt (Rezept Eb 474). Dabei handelt es sich um ein Rezept, um das Haar einer Nebenbuhlerin ausfallen zu lassen, und dieses Tier ist neben Öl/Fett und Olivenöl die einzige Droge. Als Anwendungsprinzipien dürften in dem Fall am ehesten „Similia similibus curantur“ oder „Contraria contrariis curantur“ infrage kommen, so dass das ꜥnꜥr.t-Tier also entweder ganz viel oder ganz wenig Haare besitzt. In Kombination mit den Charakteristika des pEdwin Smith ist Letzteres näherliegend, so auch Leitz, in: Papyrus Ebers und die antike Heilkunde, 57. Das dürfte auch Ebbell im Sinn gehabt haben, wenn er hierbei an einen „ꜥnꜥr.t-Wurm (eine[n] Borstenwurm)“ (Ebbell, Alt-ägyptische Chirurgie, 34, zu pEdwin Smith) bzw. „chætopod (?)“ (Ebbell, Papyrus Ebers, 80 zu Eb 474) dachte. Jean/Loyrette, La mère, l’enfant et le lait, 461 vermuten darin dagegen einen Blutegel, wobei ihnen als Hauptargument die äußere Erscheinung dient, die durch den Vergleich des pEdwin Smith gezeichnet wird; sie erwägen aufgrund der Lokalisierung der ꜥnꜥr.t-Erscheinung des pEdwin Smith in der Nase sogar konkret einen „parasite capable de pénétrer dans l’oropharynx des bovins et des hommes buvant l’eau des citernes et des mares“.
Zu Eb 474 gibt es eine Parallele im pHearst, nämlich im Rezept H 157. Dieses unterscheidet sich insofern von Eb 474, als kein Olivenöl verwendet wird. Außerdem wird ein ꜥpnn.t-Tier statt des ꜥnꜥr.t-Tieres genannt. Die Identifizierung des ꜥpnn.t-Tieres ist ebenfalls unsicher – vorgeschlagen wurden bislang: Schlange, eine Art Wurm, Eidechse [obsolet], Maulwurf [obsolet], Fischotter, Nacktschnecke, Wassermolch [unwahrscheinlich] und Blutegel. S. zu allen Vorschlägen die ausführliche Diskussion unter https://sae.saw-leipzig.de/de/glossar/pnnt. Die Bedeutung „Blutegel“ für ꜥpnn.t stammt von Meeks, in: Fs Grenier, 533-535 (vielleicht unter Beeinflussung von Jeans/Loyrettes Vorschlag für ꜥnꜥr.t?). Als Argument diente ihm hierbei, dass das ꜥpnn.t-Tier groß genug sei, um es zur Verwendung in magischen und medizinischen Kontexten zu zerteilen, dass es andererseits klein genug sei, um (in Eb 576) zusammen mit Fliegen und Käfern verwendet zu werden. Im magischen pBM EA 9997 + 10309, Zeile 2,15-16 wird es in einem Kontext genannt, in dem Isis den Schlangen Arme und Beine nimmt, so dass Meeks daraus schließt, dass das ꜥpnn.t-Tier eben keine Beine habe (wobei der Kontext dieser Stelle weniger klar ist, als Meeks suggeriert). Im pBoulaq 17 wird es zwischen Fischen + Vögeln und Insekten + Würmern genannt, im späten pBM EA 10081, 36,9 dagegen vor den Kriechtieren, den [ḥrj.w]-ẖt=sn. Daraus schließt Meeks, ebd., 534 auf einen „place charnière“ zwischen diesen Tiergruppen. Darauf aufbauend, vermutet er in dem ꜥnꜥr.t-Tier des Eb 474, dass darin analog zu dem ꜥpnn.t-Blutegel der Parallele H 157 ebenfalls ein Blutegel gemeint ist, vielleicht eine andere Art. Als Tertium comparationis zwischen dem ꜥnꜥr.t-Blutgerinnsel und dem ꜥnꜥr.t-Tier des pEdwin Smith erwägt er die Farbe („peut-être“ mit Meeks, ebd., 535).
In Vernus/Yoyotte, Bestiaire, gibt es nur eine kurze Erwähnung von ꜥnꜥr.t auf S. 83 unter dem sprachlichen Aspekt der Wurzelkonsonanten. Vernus übersetzt an dieser Stelle schlicht mit „ver“.
In pRamesseum C, Vso. 3, x+6 wird über das Tier gesagt, dass der Sonnengott davon lebe; diese Ernährungsweise ist zudem positiv konnotiert, es wird an dieser Stelle eine regelkonforme Ernährung und nicht etwa ein Tabu angesprochen. Es wäre zu überlegen, ob hierbei an eine bestimmte Manifestation des Sonnengottes gedacht wird, vielleicht an den Ichneumon. Dieses ernährt sich zwar nicht von Blutegeln, aber er frisst u.a. kleinere Schlangen, zu denen das ꜥnꜥr.t-Tier, seinem normalen Klassifikator nach zu schließen, von den Ägyptern gerechnet wurde. Dieses stünde damit hier vielleicht pars pro toto für Tiere, von denen sich ein Ichneumon ernährt. Damit könnten diese Tiere auch zu dem im vorherigen Satz erwähnten ḏdf.t dšr.t, dem „gefährlichen (wörtl.: roten) Gewürm“ (zerstörter Kontext) gehören. Fischer-Elfert (mdl. Mitteilung) erwägt darin eine despektierliche Bezeichnung des Apophis.

L. Popko, 12. April 2022.

Autor:in des Kommentars: Strukturen und Transformationen; Datensatz erstellt: 12.04.2022, letzte Revision: 24.06.2022


Editor:innen: Altägyptisches Wörterbuch
Datensatz erstellt: vor Juni 2015 (1992–2015), letzte Revision: 20.11.2020
Redaktionsstatus: Verifiziert

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"ꜥnꜥr.t" (Lemma-ID 38330) <https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/lemma/38330>, ediert von Altägyptisches Wörterbuch, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae, Korpus-Ausgabe 18, Web-App-Version 2.1.3, 16.5.2024, hrsg. von Tonio Sebastian Richter & Daniel A. Werning im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und Hans-Werner Fischer-Elfert & Peter Dils im Auftrag der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig (Zugriff am: xx.xx.20xx)
(Kurzzitation)
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