Satz ID ICQCcMiaWYOxFkbYvRIfBZyL7Aw
NN, den NN geboren hat, hat eure jb-Herzen fort[genommen], (o ihr) Untoten!
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Zur Lücke am Ende von Zeile 1 s. auch die Anmerkung zum vorigen Satz. Angesichts der sonstigen Ergänzungen des Ostrakons wird nur wenig gefehlt haben, vielleicht also nur ein einziges anderes Paar von feindlichen Entitäten.
nn jwt: Ritner, in: JARCE 27, 1990, 26-28 mit Anm. C, gefolgt von Szpakowska, Behind Closed Eyes, 107 und Szpakowska, in: Mouton, Husser, Le cauchemar, 32, denkt an eine Infinitivkonstruktion nn jwi̯.t: „without coming“. Die alternative Option, das t als Suffixpronomen zu lesen, d.h. als nn jwi̯=t: „you (fem.) will not come“ lehnt er zu Recht ab, weil der Wechsel zum maskulinen Bezugswort im folgenden nn pri̯=f nicht erklärbar wäre. Der Emendierung bzw. Ergänzung anderer Suffixpronomina steht er skeptisch gegenüber, weil der Text ansonsten keine grammatischen Fehler aufweise. Dagegen zögert Theis, Magie und Raum, 400, Anm. b nicht mit der Annahme, dass ein Suffixpronomen ausgefallen sei, und hält nn jwi̯⟨=tn/sn⟩ für denkbar.
Man könnte aber auch an eine gewollte Auslassung im Sinne einer Ellipse denken, vgl. Westendorf, Grammatik, §§ 446 und 454.aa.1. Das t bei jwi̯ könnte dann Teil der mittelägyptischen Subjunktivform sein.
Die Parallele auf dem magischen pAthen Nationalbibliothek 1826, x+16,4 schreibt nicht nn jwt nn pri̯=f …, sondern nn jwi̯=tn r=f …: „ihr werdet nicht gegen ihn kommen …“, s. Fischer-Elfert/Hoffmann, Mag. Papyrus Nr. 1826, 210. A.a.O., 211, Anm. 998 fragen sich die Editoren, ob angesichts dieser Parallele Černý/Gardiners Transliteration „noch aufrechtzuerhalten ist“. Das Foto bei Ritner, in: JARCE 27, 1990, 28, Abb. 2 reicht für eine Entscheidung nicht aus, aber auf einem aktuellen hochaufgelösten Foto des Ashmolean Museum sind tatsächlich zwei Negationen nn zu erkennen. Auf die erste folgt das Verb jwi̯, wobei auch das t noch ganz schwach zu erkennen ist, auch wenn es nur noch aufgrund seiner Positionierung unter der w-Schleife(?) als t zu identifizieren ist. Daran schließt sich die zweite Negation nn an, hinter der wiederum ein weiteres Verb gestanden hat, an das sich das =f anschloss, das auch noch auf Ritners Foto erkennbar ist. Ob es sich bei dem fraglichen Verb um pri̯ handelt, ist schwer zu bestimmen. Einige schwache Spuren hinter nn ließen sich zwar als Hausgrundriss lesen, aber ob die Spuren zwischen diesem und dem =f wirklich die Gruppe aus r über laufenden Beinchen war, wie Gardiner transliteriert, kann nicht mehr verifiziert werden. Diese Gruppe wäre auf jeden Fall schmaler geschrieben als die laufenden Beinchen von jwi̯.
m ḥr r ḥr: Mit dieser Phrase wird das Bild eines hinter sich schauenden Dämons evoziert, der dadurch nicht ordentlich sehen kann und in seinen Aktionen und an einem korrekten Verhalten behindert wird, s. Ritner, in: JARCE 27, 1990, 30, Anm. D. Die Parallele auf pAthen Nationalbibliothek 1826, x+16,4 schreibt m ḥr n ḥr (Fischer-Elfert/Hoffmann, Mag. Papyrus Nr. 1826, 210) und unterstützt damit Ritners Interpretation der Stelle.
ꜥ.wt m ꜥ.wt [---]: Ritner, in: JARCE 27, 1990, 26 und 30, Anm. E denkt an eine Ergänzung von wꜣḏ: „sound“ o.ä. Theis, Magie und Raum, 400 lässt die Lücke wieder offen. Die Parallele pAthen Nationalmuseum 1826, x+16,5 schreibt stattdessen ⟨r⟩ jṯi̯.t ꜥ.wt=f r jṯi̯.t jb=f r wḫꜣ …: „⟨um⟩ seine Körperteile zu nehmen, um sein Herz zu nehmen zum Nachtmahl …“.
Angesichts dieser Parallele, aber auch ohne sie, wirkt Ritners Rekonstruktion der Stelle unnötig kompliziert. Denn ein einfaches (m) ꜥ.wt + attributives Adjektiv oder Pseudopartizip würde für diese Aussage ausreichen. Davor steht m ḥr r ḥr: „mit dem Gesicht zur Vorderseite“, und ꜥw.t m ꜥw.t klingt tatsächlich wie eine Parallelbildung dazu. Könnte aber das zweite ꜥ.wt auch ein Schreibfehler oder eine bewusste Schreibvariante für das Wort ꜥ: „Aktion, Handlung“ (https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/lemma/34480, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae (Zugriff am: 13.6.2024)) sein? Dann könnte man die Stelle verstehen als: „mit dem Gesicht nach vorn und den Körperteilen in Aktion“, und in der Lücke danach wäre dann eventuell sogar Platz für das r jṯi̯ der Parallele: „um fortzunehmen …“.
jb=f: Die Parallele auf pAthen Nationalbibliothek, x+16,5 (Fischer-Elfert/Hoffmann, Mag. Papyrus Nr. 1826, 210) zeigt, dass sich das Suffixpronomen auf den Nutznießer des Spruches bezieht, dessen Herz entrissen zu werden droht. Dass sich der Satz jb=f r ḫꜣwj auf eine Verbrennung von Feinden des Osiris in Schutzritualen bezieht, wie Ritner, in: JARCE 27, 1990, 30-31, Anm. F vermutet, ist daher unwahrscheinlich.
Dass der Verstorbene im Anschluss die Herzen der Untoten nimmt, ist wohl die Umkehrung dessen, was ihm selbst droht.
ḫꜣw.t: Das Wort ist ein Hapax legomenon, aber die Klassifizierung macht sowohl die Ableitung vom Wort ḫꜣwj: „Abend“ (https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/lemma/113750, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae (Zugriff am: 11.6.2024)) als auch die Bedeutung „Abendmahl, Abendessen“ ziemlich wahrscheinlich, s. bereits Ritner, in: JARCE 27, 1990, 30-31, Anm. F.
jm.j-ꜣ.t ist mit einer Schlange klassifiziert. Trotz der Klassifizierung von ꜣ.t mit der Sonnenscheibe denkt Ritner, in: JARCE 27, 1990, 31 mit Verweis auf Gardiner, in: JEA 34, 1948, 13-15 an die Bedeutung „striking power“ und deutet das Kompositum jm.j-ꜣ.t als Bezeichnung der Uräusschlange. Sollte dies korrekt sein, müsste man in jm.j-ꜣ.t mindestens eine Graphie für jm.jt-ꜣ.t sehen, da die Uräusschlange grammatisch und mythologisch gesehen feminin ist. Dagegen sortiert LGG I, 224a diese Gottesbezeichnung unter den maskulinen Namen ein und übersetzt: „Der im Augenblick ist“. Auch Theis, Magie und Raum, 400 und 401, Anm. d zieht die Bedeutung „Augenblick“ für ꜣ.t vor und verweist auf die Bezeichnung jm.j-ꜣ.t=f: „der in seinem Augenblick ist“ als Bezeichnung bspw. für Re, Jtn-wr oder Osiris Chontamenti (s. LGG I 224a-b). Die Parallele auf pAthen Nationalmuseum 1826, x+16,5 schreibt genau dieses jm.j-ꜣ.t=f (mit der Hornviper anstelle des Schlangenklassifikators). Fischer-Elfert/Hoffmann, Mag. Papyrus Nr. 1826, 213 mit Anm. 1012 und 214-215 vermuten darin auch keinen Uräus, sondern Osiris. Dieser erscheine dort, so Fischer-Elfert/Hoffmann, vielleicht in seiner Rolle als Herr über Dämonen, wie in der Erzählung von Horus und Seth auf pChester Beatty I, 15,5.
[šdi̯].n: Ergänzung von Ritner, in: JARCE 27, 1990, 25 und 31, Anm. H. Die Parallele auf pAthen Nationalbibliothek 1826, x+16,5 ist an dieser Stelle zwar physisch vollständig, aber der Schreiber hat das Verb vergessen. Fischer-Elfert/Hoffmann, Mag. Papyrus Nr. 1826, 210 rekonstruieren jedoch jṯi̯ statt šdi̯, entsprechend der Wortwahl im folgenden Satz.
Persistente ID:
ICQCcMiaWYOxFkbYvRIfBZyL7Aw
Persistente URL:
https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/sentence/ICQCcMiaWYOxFkbYvRIfBZyL7Aw
Bitte zitieren als:
(Vollzitation)Lutz Popko, Satz ID ICQCcMiaWYOxFkbYvRIfBZyL7Aw <https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/sentence/ICQCcMiaWYOxFkbYvRIfBZyL7Aw>, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae, Korpus-Ausgabe 19, Web-App-Version 2.2.0, 5.11.2024, hrsg. von Tonio Sebastian Richter & Daniel A. Werning im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und Hans-Werner Fischer-Elfert & Peter Dils im Auftrag der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig (Zugriff am: xx.xx.20xx)(Kurzzitation)
https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/sentence/ICQCcMiaWYOxFkbYvRIfBZyL7Aw, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae (Zugriff am: xx.xx.20xx)
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