ꜥw.t(Lemma-ID 35870)

Verifiziert

Persistente ID: 35870
Persistente URL: https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/lemma/35870


Lemma-Liste: Hieroglyphisch/Hieratisch

Wortklasse: Substantiv (fem.)


Übersetzung

de Kleinvieh; Herde
en herds (gen.); flocks
fr bétail; animaux; petit bétail

Bezeugung im TLA-Textkorpus


Belegzeitraum im TLA-Textkorpus: von 2686 v.Chr. bis 324 n.Chr.


Bibliographie

  • Wb 1, 170.7-171.1
  • vgl. ONB 293


Digitale Verweise

Alt-TLA 35870
Projet Karnak 579
Digitalisiertes Zettelarchiv 35870
Vocabulaire de l’Égyptien Ancien 355

Kommentare

Das Wort ꜥw.t/jꜣw.t (Wb 1, 29.15-16 und 170.7-171.1; und jw.t(?), s. Quack, Ani, 115, Anm. 117) (Wb 1, 29.15-16 und 170.7-171.1; und jw.t(?), s. Quack, Ani, 115, Anm. 117) hat ein breites Bedeutungsspektrum: Meist wird es als „Kleinvieh“ interpretiert und meint hier v.a. Schafe, das ꜥw.t ḥḏ.t: „weiße Kleinvieh“, und Ziegen, das ꜥw.t nḏs.t: „kleine/geringe Kleinvieh“. Davon ausgehend kommt es zu einer Bedeutungserweiterung vom „petit bétail/petits quatrupèdes“ über „bétail, quadrupèdes“ zu „animal“ allgemein, s. Vernus/Yoyotte, Bestiaire, 87. Metaphorisch kann es dann auch den Menschen als „Vieh Gottes“ bezeichnen, Wb 1, 171.1. Die erweiterte Bedeutung „Tier“ kann je nach Kontext wiederum spezifizierter, eingegrenzter, sein: Im Alten Reich bezeichnet das ꜥw.t (n.t) ḫꜣs.t jagdbare Wildtiere, d.h. Wildtiere unter Ausschluss von Raubtieren (Goldwasser, Wor(l)d Classification in Ancient Egypt, 70-71); ähnliches gilt auch für das dp-n-jꜣw.t nb n ḫꜣs.t des Prinzenmärchen (pHarris 500, Vso. 5,2) aus dem Neuen Reich. Wenn dagegen etwa im Zweibrüdermärchen (pd’Orbiney) Bata das jꜣw.t seines Bruders hütet, liegt die Bedeutung „domestiziertes Vieh“ nahe; und gemeint sind in dem Fall nicht Schafe und Ziegen, sondern Rinder, wie besonders aus dem Textabschnitt 5,5-8 deutlich wird, in dem Bata das jꜣw.t in den Stall treibt und ihn dabei die „Leitkuh“ (tꜣ jḥ(.t) ḥꜣw.tj) vor seinem Bruder warnt, der ihm auflauert.
In pTurin Cat. 1993 = pTurin CGT 54051, Rto. 2,13 (s. DZA 22.981.570 = Roccati, Magica Taurinensia, 68) wird jꜣw.t neben mnmn.t genannt, das eher als „(scil. domestiziertes) Herdenvieh“, v.a. bestehend aus Rindern, verstanden wird, aber seinerseits auch wieder allgemeinere Bedeutungen annehmen kann, Wb 2, 81.17-23. Die Komplexität des Verhältnisses beider Begriffe zueinander zeigt sich bspw. im Kairener Amunhymnus, pBoulaq 17, wo ꜥw.t in Zeile 1,6 als Geschöpfe Amun-Res den Menschen parallel gesetzt wird (jri̯ rmṯ.w qmꜣ ꜥw.t), als wäre es der Oberbegriff für „Tier“. Gleichzeitig wird eine Zeile später, in 1,7, der Begriff mnmn.t parallel zu sm.w, den Pflanzen, gesetzt (jri̯ sm.w sꜥnḫ mnmn.t; zu dieser Parallelität vgl. die Übersetzung in ÄHG, 196 (Nr. 87A), Zeile 17, anders Barucq/Daumas, Hymnes et prières, 193 und Luiselli, P. Boulaq 17, 2 und 6, die sꜥnḫ auf sm.w beziehen und damit mnmn.t im Grunde als „Pflanzenfresser“ verstehen; derselbe Vers noch einmal in Zeile 6,4, wo auch Assmann, ebd., 200, Zeile 1 das sꜥnḫ auf sm.w bezieht), so dass beide Begriffe hier für Lebewesen dienen, die nicht Mensch oder Pflanze sind. Dieselbe Bedeutung könnte mnmn.t schon in Zeile 1,1-2 haben, laut der Amun-Re allem Warmen und allen schönen mnmn.t Leben verleiht (rḏi̯ ꜥnḫ n srf nb n mnmn.t nb.t nfr.t) – sofern dort nicht die Wortwahl dadurch bedingt ist, dass Amun-Re kurz zuvor als „Stier“ (kꜣ) bezeichnet wird, mit dem man am ehesten eine mnmn.t, eine „(Kuh-)Herde“ assoziiert.
Werden mnmn.t und ꜥw.t nebeneinander genannt, liegt etwas häufiger diese Folge vor: mnmn.t ꜥw.t, was meist als „Groß- und Kleinvieh“ verstanden wird. Umgekehrt und damit genau so wie in pTurin CGT 54051 (ꜥw.t mnmn.t) ist die Reihenfolge bspw. in den Amun-Re-Hymnen auf pChester Beatty IV, Recto 10,7-8 (s. im TLA), im Amun-Hymnus aus Tura, Zeile 16 und evtl. 22 (Bakir, in: ASAE 42, 1943, 87-88, Taf, 4 = ÄHG, Nr. 88; Zeile 22 ist nach ꜥ.wt zerstört) und in einem Schöpfungshymnus aus Hibis, Kol. 15 (Klotz, Adoration, 149-150 und 297, Taf. 9). Während diese Stellen gewöhnlich auch in der Übersetzung entsprechend als „Klein- und Großvieh“ verstanden werden, übersetzt Assmann die Stelle aus Hibis mit „Vieh und Wild“. Das wäre auch für pTurin CGT 54051 eine Alternative, auch wenn dort die Reihenfolge der Übersetzungsbegriffe vielleicht umzukehren ist: „Wild (ꜥw.t) und Vieh (mnmn.t)“.
Zum komplexen Verhältnis der Begriffe ꜥw.t und mnmn.t zueinander s. auch Goldwasser, Wor(l)d Classification in Ancient Egypt, 69-78.

L. Popko, 02. Oktober 2020.

Autor:in des Kommentars: Strukturen und Transformationen; Datensatz erstellt: 02.10.2020, letzte Revision: 09.06.2022


Editor:innen: Altägyptisches Wörterbuch; unter Mitarbeit von: Lisa Seelau
Datensatz erstellt: vor Juni 2015 (1992–2015), letzte Revision: 20.11.2020
Redaktionsstatus: Verifiziert

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"ꜥw.t" (Lemma-ID 35870) <https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/lemma/35870>, ediert von Altägyptisches Wörterbuch, unter Mitarbeit von Lisa Seelau, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae, Korpus-Ausgabe 18, Web-App-Version 2.1.3, 16.5.2024, hrsg. von Tonio Sebastian Richter & Daniel A. Werning im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und Hans-Werner Fischer-Elfert & Peter Dils im Auftrag der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig (Zugriff am: xx.xx.20xx)
(Kurzzitation)
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