ḫpr-ḏs=f(Lemma ID 863033)

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Persistent ID: 863033
Persistent URL: https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/lemma/863033


Lemma list: Hieroglyphic/hieratic

Word class: common noun (masc.)


Translation

de [offizinell Verwendetes]
en [officinal use (pharm.)]

Attestation in the TLA text corpus


Attestation time frame in the TLA text corpus: from 1939 BCE to 1213 BCE


Bibliography

  • DrogWb 394


External references

Legacy TLA 863033

Comments

ḫpr-ḏs=f n bj.t: Das Kompositum ḫpr-ḏs=f wird in den medizinischen Texten von Honig und von Datteln genannt; das gleichfalls von Honig und Datteln genannte ḫpr scheint nur eine Abkürzung davon zu sein, s. DrogWb, 394. Auch das zwei Mal genannte bj.t n.t ḫprj dürfte damit zusammenhängen, DrogWb, 395 und Lefebvre, Essai sur la médecine égyptienne, 82, Anm. 4.
Bei den Deutungsversuchen steht oft die Verbindung mit Honig im Vordergrund: Bei ḫpr-ḏs=f n bj.t denkt Stern, in: Ebers, Papyros Ebers, Bd. 2, 61b an „mella cruda“: „frisches Honigwasser“. Lüring, Über die medicinischen Kenntnisse der alten Ägypter, 32 ist vorsichtig und gibt die Droge nur in Transkription wieder. Ebers, Kapitel über die Augenkrankheiten, 234 [102] vermutet dagegen konkret „Wild- oder Naturhonig“ (d.h. im Gegensatz zu Honig aus Honigzucht?), was aber die Genitivverbindung nicht erklärt: Bei dieser Bedeutung wäre eine Partizipialkonstruktion *bj.t ḫpr.t ḏs=f: „Honig, der von selbst entsteht“ zu erwarten. Für bj.t n.t ḫprj vermutet er ebd., 260 [128] „Honig vom Käfer (Käferwachs)“, d.h. Schellack – er hat in dieser zweiten Verbindung ḫpr.j also als Schreibung des ḫprr: „Skarabäus“ aufgefasst.
Joachim, Papyros Ebers, 36 gibt für ḫpr-ḏs=f n bj.t „Roher Honig“, also naturbelassener Honig. Für bj.t n.t ḫpr.j erwähnt er 89, Anm. 6 zwar noch Ebers’ „Käferwachs“, belässt es in seiner Übersetzung des Papyrus Ebers aber bei einer Wiedergabe durch „χeperȧ-Honig“. Für ḫpr-ḏs=f n bnj.w gibt er 60 kommentarlos „Dattelwein“, die Kurzform ḫpr n bnj erklärt er 123 zu „entstehendem Dattelsaft“, was aber erneut eine Partizipialkonstruktion erfordern würde.
Wreszinski, Londoner Med. Papyrus und Pap. Hearst, 92 (zu ḫpr-ḏs=f n bj.t in H 99) denkt dann an „Zersetzungsprodukte vom Honig“ und Wreszinski, Medizinischer Papyrus Berlin, 52-53 (in Bln 21 und 23) an eine „Abscheidung von Honig“.
Das Wb-Team, das bei bnj.w (ohne Zusätze) zwischen den Bedeutungen „Dattelsaft, Dattelwein“ schwankt (Wb 1, 462.4), vermutet schließlich in ḫpr-ḏs=f eine „Bez[eichnung] des Gärungsprodukts o.ä.“ von „Honig“ und „Dattelsaft“ (Wb 3, 261.9-10). Zwischen 1926 und 1929 fiel demzufolge die Entscheidung, die Bedeutung von bnj.w auf Dattelsaft einzugrenzen. Damit kehrt es gewissermaßen zu den früheren Vorschlägen für bnj.w zurück: Schon Stern, in: Ebers, Papyros Ebers, Bd. 2, 11b vermutet bei bnj.w: „mel ex dactylis paratum“, also Dattelhonig/-sirup, worin ihm Brugsch, Wb V, 429 folgt: „Dattelhonig“ (vgl. auch a.a.O., 431).
Joachim, Papyros Ebers, 3 und 102 übersetzt dreimal (für Eb 11, 440 und 441) bnjw mit „Palmwein“ und 188 einmal (Eb 859c) mit „Palmensaft“. Das scheint nur ein Fehler zu sein, denn ansonsten übersetzt er bnj.w mit „Dattelsaft“ (nur S. 9 = Eb 40 fehlerhaft nur „Datteln“). Dennoch lenkt es den Blick auf die Frage, ob tatsächlich auch Palmwein, also gegorener Palmsaft aus angeschnittenen Blütenkolben oder dem angeschnittenen Stamm, verwendet wurde. Dessen Gewinnung wird zwar bei Murray, in: Nicholson/Shaw, Ancient Egyptian Materials and Technology, 618-619 (mit Literatur) diskutiert, doch scheint die Beleglage dafür dürftig zu sein. Joachims Lösung für bnj.w, die zudem nicht einheitlich durchgehalten ist und sich auch gar nicht mit ḫpr-ḏs=f n bnj.w mit „Dattelwein“ o.ä. vereinbaren lässt, steht also ziemlich isoliert.
Umgekehrt zum Wb entschied sich Ebbell, Papyrus Ebers, der bnj.w allein als „date wine“ interpretierte und daher zwangsläufig in ḫpr-ḏs=f n bnj.w etwas anderes als ein Gärungsprodukt sehen musste – möglicherweise dachte er, mit bnj.w die spätere Schreibung des bnr.t-Getränks (Wb 1, 462.6) vor sich zu haben, das in Opferlisten des Alten Reiches gern neben Bier und Wein genannt wird und daher ein alkoholisches Getränk sein könnte. Jedenfalls übersetzt Ebbell, a.a.O., S. 45 ḫpr-ḏs=f n bj.t und S. 72 ḫpr n bj.t mit „lees of honey“, S. 71 bj.t n.t ḫpr.j nur mit „honey nt ḫprj“. Analog zu Ersterem übersetzt er ḫpr-n-ḏs=f n bnj mit „lees of date-wine“. Diese beiden Vorschläge – Gärungsprodukt (Wb) und durch Verzuckerung entstandener Bodensatz (~ Ebbell) – finden sich zwar in DrogWb, 167 (in DrogWb, 178 das „Gärungsprodukt“ auch beim Dattelsaft); in den Übersetzungen des pEbers wird aber seit Wb 2 der Vorschlag Gärungsprodukt bevorzugt, so bei Lefebvre, Essai sur la médecine égyptienne, a.a.O., Bardinet, Papyrus médicaux, passim, Westendorf, Handbuch Medizin, passim, Lalanne/Métra, Texte médical du Papyrus Ebers, passim, Vachala, Ebersův staroegyptský lékařský papyrus, passim.
Bardinet, Papyrus médical Louvre E 32847, 455 unterscheidet in seinem Wortindex, s.v. bı͗t, zwischen ḫpr-n-ḏs=f n bj.t: „cristeaux de miel“ und bj.t n.t ḫpr.j: „miel fermenté“, nähert sich also bei Ersterem wieder Ebbell an. An den konkreten Stellen (S. 91, 94, 234, 237) übersetzt er Ersteres aber mit „hydromel“, womit er laut 91, Anm. 92 einem Vorschlag von Grandet folgt.
Feierabend, a.a.O. und 138-139 zweifelt die Deutung als Gärungsprodukt und noch konkreter als Met dagegen an, auch wenn „es [Met] wahrscheinlich auch in Ägypten“ gegeben habe. Denn ḫpr-ḏs=f tritt auch als Epitheton von Schöpfergottheiten auf und diese hätten „nichts mit Gärung zu tun“. Sie vermutet viel eher, dass „Jungfernhonig“ bzw. Wabenhonig gemeint sein könnte, der ohne mechanisches, menschliches Zutun (wie Pressen oder Schleudern) aus entdeckelten Honigwaben herausfließt (vgl. dazu http://www.thiele-und-thiele-consult.de/press/honeyscience_ge.html, letzter Zugriff 23.03.2020), und der daher keine Verunreinigungen besitzt. Dieser Honig wird etwa bei Plinius, N.H. IX 38 durch „quod per se fluxit“: „was von selbst herausfließt“, beschrieben, was Feierabend an die ägyptische Bezeichnung ḫpr-ḏs=f bzw. die Kurzform ḫpr erinnert. Zweifelhaft wird ihre Hypothese dadurch, dass es auch ḫpr-ḏs=f n bnj, „Selbstentstandenes von Dattelsaft“ gibt (DrogWb, 176). Dieser Drogenname ist analog zum Honigprodukt gebildet, kann aber aus naheliegenden Gründen nicht durch Feierabends Hypothese erklärt werden. Daher scheint doch die Überlegung, in ḫpr-ḏs=f ein Gärungsprodukt zu sehen, die wahrscheinlichere Lösung zu sein.
Als Bezeichnung für „Jungfernhonig“ wie für „Met“ stünde der Begriff zudem in möglicher Konkurrenz zu einem – bislang allerdings nur demotisch belegten – Wort ṱrwr, ṱrr. Dieses Wort kommt einmal im Mythos vom Sonnenauge auf Leiden I 384, Zeile 11,12 vor. Dieses Wort ist mit einem Gefäß und einer Pflanze klassifiziert und mit dem „Wasser des Mundes“ der Fernen Göttin gleichgesetzt – so, wie im Satz zuvor ihr Speichel mit Honig. Daher gibt Erichsen, Glossar, 648 die Übersetzung „Honigseim“ (gefolgt von Vittmann in seiner Übersetzung im TLA) und CDD, T, 262 die Bedeutung „‚virgin honey‘ or similar“. Quack in Hoffmann/Quack, Anthologie, 2. Auflage, 225 vermutet dagegen „Met(?)“ (Letzteres in der Erstauflage zitiert von Feierabend, a.a.O., 168).
Vordemotische Belege für dieses Wort sind unsicher. Erichsen, a.a.O. gibt als Vorläufer das Wort ṯrr (Wb 5, 388.1; mit Brotklassifikator und Pluralstrichen). Dieses kommt nur einmal sicher vor, nämlich im neuägyptischen Onomastikon des Amenemope (pGolenischeff, 2,12-3,1 und 7,3): in 2,12-3,1 in einer Berufsbezeichnung psi̯(.w)-ṯrr und in 7,3 am Ende einer Liste von Broten, Kuchen und anderem Gebäck. Gardiner, AEO I, 66*, Nr. 148 und II, 233*, Nr. 554 vermutet zurückhaltend „some sort of sweetmeat or sweet cake“ (nicht aufgenommen bei Schwechler, Nom des pains).
Wb stellt – mit Fragezeichen – auch noch ein ähnlich geschriebenes Wort (mit Rohstoffklassifikator N33:Z2 geschrieben) aus pAnastasi IV, 14,7 hierzu, worin es – zwischen essbaren Kernen/Früchten auf der einen Seite und Brennmaterial auf der anderen Seite direkt neben gꜣš-Schilf genannt wird. Dieser zweite Beleg ist später nicht berücksichtigt worden, denn GLEM, 50.15 hat das Hieratische als ṯtr transkribiert und die Lesung ṯrr, neben einer dritten Option ṯdd, in der zugehörigen Anmerkung untergebracht. CLEM, 199 folgt Gardiners Hauptlesung, bietet aber keinen Übersetzungsvorschlag. Tacke, Verspunkte, 59 und 61, Anm. u schlägt eine Genitivkonstruktion ṯrr (n) gꜣš vor und vermutet aufgrund des anschließend genannten Brennmaterials darin einen Behälter oder Anzünder aus Schilf (Letzteres dann mit Fragezeichen in seiner durchgehenden Übersetzung). (Trotz der syllabischen Schreibung ist es in keiner der vorschlagenen Transkriptionen bei Hoch, Sem. Words, aufgenommen.)

Will man mit ḫpr-ḏs=f n bj.t ein Gärungsprodukt von Honig und konkreter sogar Met sehen, könnte es sich bei ḫpr-ḏs=f n bnj.w analog dazu um Dattelwein handeln. In diesem Fall wäre aber das terminologische Verhältnis zu bnr.t und zu jrp bnr zu diskutieren. Letzteres kommt in Eb 28 vor. Handelt es sich dort um Wein, der mit Datteln gesüßt wurde? Oder ist es Wein, der aus Datteln gewonnen wurde? Laut Murray/Boulton/Heron, in: Nicholson/Shaw, Ancient Egyptian Materials and Technology, 592 ist beides diskutiert worden. Allerdings verweisen die Textquellen in der von ihnen zitierten Literatur, soweit explizit genannt, nicht auf jrp bnr, sondern auf jrp nḏm: „süßen Wein“ und den oben genannten bnr.t bzw. bnj.t: „Dattelwein“. In konkreten Übersetzungen der Stelle Eb 28 geht die Tendenz eher zur Deutung „gesüßter Wein“, so bspw. bei Ebbell, a.a.O., 32: „sweet wine“ oder Grundriß der Medizin IV/1, 120: „dattelsüße[r] Wein“.

Außerhalb der medizinischen Texte gibt es in ptolemäischen Texten noch die Verbindung ḫpr-ḏs=f m/n ꜥntj.w, also vielleicht dieselbe Konstruktion, nur eben mit Myrrhe (Wb 3, 261.12(-13), Wilson, Ptol. Lexikon, 721). Wilson schließt sich der Annahme an, dass dieses Wort in den medizinischen Texten ein fermentiertes Produkt bezeichnet, genauer gesagt hält sie es für „a product which has been fermented or distilled to form a more concentrated product“. Die erweiterte Vermutung, dass es neben einem Fermentationsprozess auch ein Destillat sein könnte, dient ihr als Link für dasselbe Produkt im Zusammenhang mit Myrrhe, das „may have borrowed (...) from medical usage, to describe a similar kind of process“. Fermentation und Destillation sind allerdings verschiedene Prozesse: Während Fermentation auch ohne menschliches Zutun stattfinden kann, ist die Destillation eine Weiterverarbeitung, die gerade nicht ḏs=f: „von allein“ geschieht.
Leitz, in: Rickert/Ventker, Altägyptische Enzyklopädien, Bd. 1, 485 und 490 versteht die fragliche Stelle in Edfu dagegen als „was von selbst als (?) Myrrhe entstanden ist“, d.h. er gibt der Lesung m Vorrang vor n. Diese Interpretation macht es unmöglich, diese Verbindung mit dem ḫpr-ḏs=f n bj.t/bnj.w der medizinischen Texte zu verbinden. Für seine Deutung verweist er a.a.O., 485, Anm. 15 auf Müller, in: RE Suppl. XV, 1978, 700–777, s.v. „Weihrauch“, 719, der Theophrast, H.pl. IX 4.10 und Plinius, N.H. XII 35 [68] nennt – Plinius erwähnt besonders wertvollen Weihrauch, den die Bäume „sudant (...) sponte“: „von selbst ausschwitzen“ und der „Stacte“ genannt würde (s. Pliny, Natural History (Loeb 370), 48-49).

L. Popko, 23. März 2020.

Commentary author: Strukturen und Transformationen; Data file created: 03/23/2020, latest revision: 06/27/2022


Editor(s): Altägyptisches Wörterbuch; with contributions by: Simon D. Schweitzer, Andrea Sinclair
Data file created: 01/06/0006, latest revision: 05/02/2022
Editorial state: Verified

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(Full citation)
"ḫpr-ḏs=f" (Lemma ID 863033) <https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/lemma/863033>, edited by Altägyptisches Wörterbuch, with contributions by Simon D. Schweitzer, Andrea Sinclair, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae, Corpus issue 18, Web app version 2.1.2, 11/24/2023, ed. by Tonio Sebastian Richter & Daniel A. Werning on behalf of the Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften and Hans-Werner Fischer-Elfert & Peter Dils on behalf of the Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig (accessed: xx.xx.20xx)
(Short citation)
https://thesaurus-linguae-aegyptiae.de/lemma/863033, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae (accessed: xx.xx.20xx)